Das Schweizerische Bildungssystem umfasst folgende Bildungsbereiche:
Obligatorischer Bildungsbereich
- Primarbereich (inkl. Kindergarten oder Eingangsstufe)
- Sekundarbereich: Sekundarstufe I
Nachobligatorischer Bildungsbereich
- Sekundarbereich: Sekundarstufe II
- Tertiärbereich
- Weiterbildung
Für Einrichtungen und Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung (Kindertagesstätten, Tagesfamilien und informelle Betreuungsangebote) wird auf die frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung verwiesen.
Obligatorischer Bildungsbereich
Schulpflicht
Gemäss Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Art. 19 und 62 BV) sorgen die Kantone für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der obligatorische und konfessionsneutrale Unterricht untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist der Unterricht unentgeltlich.
Die Schulpflicht dauert elf Jahre. Die Primarstufe – inklusive zwei Jahre Kindergarten oder die ersten beiden Jahre einer Eingangsstufe – umfasst acht Jahre, die Sekundarstufe I drei Jahre. Im Kanton Tessin dauert die Sekundarstufe I (Scuola media) vier Jahre.
Für Kinder und Jugendliche mit besonderem Bildungsbedarf sorgen die Kantone für eine ausreichende Schulung bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr.
Primarstufe
Die Primarstufe – inklusive zwei Jahre Kindergarten oder die ersten beiden Jahre einer Eingangsstufe - umfasst 8 Jahre. Es gibt einige wenige Kantone in der Deutschschweiz, in denen der Besuch des Kindergartens nicht obligatorisch ist oder nur ein Jahr obligatorisch besucht wird. Aber auch in diesen Fällen besucht in der Regel die grosse Mehrheit der Kinder während zwei Jahren den Kindergarten. In einigen Kantonen der Deutschschweiz können die Gemeinden eine Grund- oder Basisstufe (Form der Eingangsstufe) führen. Bei dieser Organisationsform besuchen vier- bis achtjährige resp. vier- bis siebenjährige Kinder die gleiche Klasse. In der Westschweiz zählt man die Kindergartenjahre in der Regel zum «cycle 1» oder «cycle primaire 1», der vier Jahre dauert. Im Kanton Tessin wird zusätzlich zu den zwei obligatorischen Kindergartenjahren noch ein fakultatives Jahr für Kinder ab drei Jahren angeboten.
Erreichen die Kinder bis zum festgelegten Stichtag (mehrheitlich ist dies der 31. Juli) das entsprechende Alter, treten sie bei Schuljahresbeginn (Herbst) in die Primarstufe (Kindergarten oder Eingangsstufe) ein. Die Kinder sind in der Regel zwischen vier und fünf Jahre alt. Je nach kantonaler Regelung kann auf Gesuch der Eltern ein früherer oder späterer Eintritt ermöglicht werden.
Eine Unterteilung der Klassen nach Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler gibt es nicht. Der Unterricht erfolgt in der Regel in Jahrgangsklassen.
Übergang Primarstufe - Sekundarstufe I
In der Regel erfolgt der Übertritt in einen bestimmten Typ respektive in Niveaugruppen der Sekundarstufe I aufgrund von Leistungsbeurteilungen bzw. Empfehlungen der Lehrpersonen oder durch Aufnahmeprüfungen. In einzelnen Kantonen werden die Zuweisungen der Schülerinnen und Schüler in einen bestimmten Typ respektive in Niveaugruppen nicht zu Beginn, sondern im Verlaufe der Sekundarstufe I vorgenommen.
Sekundarstufe I
Die Sekundarstufe I schliesst an die Primarstufe an und dauert 3 Jahre. Eine Ausnahmebestimmung besteht für den Kanton Tessin: Auf die siebenjährige Primarstufe folgt die vierjährige „scuola media“. Die Schülerinnen und Schüler in den Altersgruppen zwischen 12 und 15 Jahren besuchen den Unterricht auf der Sekundarstufe I in Jahrgangsklassen. Der Unterricht erfolgt leistungsdifferenziert nach unterschiedlichen Modellen.
Nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht – in der Regel mit dem vollendeten 15. Lebensjahr – erfolgt der Übergang in die Sekundarstufe II.
Nachobligatorischer Bildungsbereich
Sekundarbereich: Sekundarstufe II
Die Sekundarstufe II wird unterteilt in allgemeinbildende und berufsbildende Ausbildungsgänge.
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Zu den allgemeinbildenden Schulen gehören die in der Regel vierjährigen gymnasialen Maturitätsschulen sowie die dreijährigen Fachmittelschulen (FMS), die auf Ausbildungsgänge auf der Tertiärstufe vorbereiten.
Die Aufnahmebedingungen in die allgemeinbildenden Schulen werden durch die Kantone festgelegt.
Mit einer gymnasialen Maturität kann ohne Zusatzauflagen ein Studium an einer Eidgenössischen Technischen Hochschule oder an einer kantonalen Universität oder an einer Pädagogischen Hochschule aufgenommen werden. Die Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule ist mit Zusatzauflagen verbunden.
Fachmittelschulen (FMS) bereiten auf eine Berufsbildung an höheren Fachschulen in bestimmten Berufsfeldern (Gesundheit, Soziale Arbeit, Pädagogik, Kommunikation/Information, Gestaltung/Kunst) vor.
Im Anschluss an die dreijährige Ausbildung an einer Fachmittelschule kann nach einer einjährigen Zusatzausbildung eine Fachmaturität erworben werden. Diese ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Fachhochschulstudiengängen im absolvierten Berufsfeld. Je nach gewählter Studienrichtung ist zur Aufnahme an eine Fachhochschule ein besonderes Zulassungsverfahren zu durchlaufen. Voraussetzung für den Zugang zu den universitären Hochschulen mit Fachmaturität ist das erfolgreiche Absolvieren der Passerellen-Prüfung.
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Die berufliche Grundbildung erfolgt mehrheitlich nach dualem System: die berufspraktische Bildung in einem Lehrbetrieb (Bildung in beruflicher Praxis) wird ergänzt durch den theoretischen Unterricht (berufsbildende und allgemeinbildende Fächer) in der Berufsfachschule. Bei gewissen Berufen kann der Abschluss in einer schulisch organisierten beruflichen Grundbildung (schulisches Vollzeitangebot) erworben werden (z.B. Lehrwerkstätte, Handels- oder Informatikschule).
Die berufliche Grundbildung dauert je nach Ausbildungsgang zwei bis vier Jahre. Die drei-bis vierjährige berufliche Grundbildung bereitet auf die Ausübung eines Berufs und auf Ausbildungsgänge der höheren Berufsbildung vor, die zweijährige berufliche Grundbildung auf die Ausübung eines Berufs mit einfacheren Anforderungen.
Grundsätzlich erfolgt der Eintritt in die berufliche Grundbildung prüfungsfrei. Die Lehrbetriebe wählen die Lernenden in der Regel aufgrund ihrer Leistungen auf der Sekundarstufe I sowie der Bewerbungsunterlagen und eines Vorstellungsgesprächs aus. Verschiedene Lehrbetriebe verlangen von den Bewerbenden zusätzlich das Ablegen eines Eignungstests.
Während oder im Anschluss an die drei- bis vierjährige berufliche Grundbildung kann zusätzlich die Berufsmaturität in folgenden fünf Ausrichtungen erworben werden: Technik, Architektur, Life Sciences; Natur, Landschaft und Lebensmittel; Wirtschaft und Dienstleistungen; Gestaltung und Kunst; Gesundheit und Soziales.
Die Berufsmaturität ermöglicht den prüfungsfreien Zugang zu Studiengängen an der Fachhochschule, die mit der Berufsmaturität und der beruflichen Grundbildung verwandt sind. Wird eine nicht mit der Berufsmaturität und beruflichen Grundbildung verwandte Studienrichtung gewählt, muss eine mindestens einjährige Arbeitswelterfahrung in einem der Studienrichtung verwandten Beruf nachgewiesen werden.
Die Aufnahme eines Studiums an einer universitären Hochschule oder an einer Pädagogischen Hochschule ist mit einer bestandenen Ergänzungsprüfung (Passerellenprüfung) möglich.
Tertiärbereich
Die Tertiärstufe umfasst Ausbildungen im Hochschulbereich und im Bereich höhere Berufsbildung.
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Im Hochschulbereich bieten die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) und die 10 kantonalen Universitäten sowie die Fachhochschulen (inkl. Pädagogischen Hochschulen) über 120 Studienrichtungen in 11 Studienrichtungen an.
Die Studienstruktur an den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen und an den kantonalen Universitäten ist dreiteilig aufgebaut mit den Abschlüssen Bachelor, Master und Doktorat, an den Fachhochschulen (inkl. Pädagogische Hochschulen) zweiteilig mit den Abschlüssen Bachelor und Master.
Das Bachelorstudium dauert drei Jahre, das Masterstudium eineinhalb bis zwei Jahre.
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Der Bereich höhere Berufsbildung umfasst den nichthochschulischen Bereich der Tertiärstufe. Die höhere Berufsbildung wird erworben durch eine eidgenössische Berufsprüfung oder eine eidgenössische höhere Fachprüfung oder durch einen eidgenössisch anerkannten Bildungsgang an einer höheren Fachschule.
Zur Vorbereitung für die rund 220 eidgenössischen Berufsprüfungen und 170 eidgenössischen höheren Fachprüfungen werden berufsbegleitende Kurse angeboten. Der Besuch dieser Kurse, die von kantonalen Bildungsinstitutionen, Bildungszentren, von Berufsverbänden oder privaten Bildungsanbietern durchgeführt werden, ist freiwillig.
Die eidgenössische Berufsprüfung wird mit einem eidgenössischen Fachausweis, die eidgenössische höhere Fachprüfung mit einem eidgenössischen Diplom abgeschlossen.
Die höheren Fachschulen bieten Bildungsgänge in acht Bereichen an. Die Ausbildung dauert mindestens zwei Jahre Vollzeit oder drei Jahre berufsbegleitend und wird mit einem eidgenössischen Diplom abgeschlossen.
Weiterbildung
Weiterbildung steht primär in der Verantwortung des Einzelnen. Weiterbildungsaktivitäten finden ausserhalb des formalen, staatlich geregelten Bildungssystems statt.
Rechte und Pflichten der Schülerinnen und Schüler
Die Beteiligung und Mitsprache der Schülerinnen und Schüler weisen je nach Kanton und je nach Bildungsstufe unterschiedliche Formen auf. Mögliche Formen im obligatorischen Bildungsbereich können innerhalb der Klasse die Vermittlungsfunktion von Klassensprecherinnen bzw. Klassensprechern oder ein Klassenrat sein. Innerhalb der Schule können sich die Lernenden in Räten organisieren, die von der Schulleitung angehört oder in bestimmten Entscheiden miteinbezogen werden.
In etlichen Kantonen nehmen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Eltern bzw. mit den Erziehungsberechtigten an Gesprächen mit den zuständigen Lehrpersonen über die Promotion in die nächste Klasse und bei Übertritten in die nächste Stufe teil.
Auf der Sekundarstufe II wird den Lernenden in der Regel ein angemessenes Mitspracherecht eingeräumt. Schülerinnen- und Schülerorganisationen sind auf dieser Stufe häufiger institutionalisiert.
Auf Tertiärstufe vertreten Studierendenorganisationen die Interessen der Studierenden in hochschulpolitischen, kulturellen und sozialen Belangen. Die Studierendenorganisationen sind in Organen und Gremien der entsprechenden Hochschule vertreten.
Rechte und Pflichten der Erziehungsberechtigten
Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) (Art. 302 Abs. 2 ZGB) hält die Erziehungsberechtigten an, dem Kind eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck haben sie mit der Schule zusammenzuarbeiten.
Die Regelung der Rechte und Pflichten der Erziehungsberechtigten ist nicht in allen kantonalen Gesetzgebungen gleich ausgestaltet. Je nach kantonaler Regelung haben die Erziehungsberechtigten das Recht, den Unterricht ihres Kindes zu besuchen und sich über die schulische Entwicklung ihres Kindes zu informieren. Sie können bei Fragen bezüglich Einschulung, Promotion in die nächste Klasse, Übertritt in die nächste Stufe sowie beim Einsatz von sonderpädagogischen Massnahmen angehört werden.
Den Erziehungsberechtigten kann auch das Recht zugestanden werden, einen Elternrat, ein Elternforum oder eine Elternversammlung zu bilden. Diese können zu wichtigen Fragen und Erlassen im Bildungswesen zuhanden der zuständigen Behörde Stellung nehmen. Eine institutionalisierte Mitwirkung der Erziehungsberechtigten ist nur in wenigen kantonalen Gesetzgebungen verankert. Die Schulen können eigene Konzepte zur Elternmitwirkung erarbeiten. Auf nationaler, kantonaler oder regionaler Ebene setzen sich besondere Fachstellen oder Elternorganisationen für die Zusammenarbeit mit der Schule ein.
Neben der Pflicht zur Zusammenarbeit mit der Schule sind die Erziehungsberechtigten verantwortlich dafür, dass ihr Kind regelmässig die Schule besucht und die Regeln und Weisungen der Schule einhält. Lehrpersonen sind über besondere Vorkommnisse, die für den Schulalltag von Bedeutung sind, zu informieren. In einigen Kantonen haben die Erziehungsberechtigten die Pflicht, an angeordneten Elternveranstaltungen oder Gesprächen teilzunehmen.
Homeschooling
Die Schulpflicht kann durch den Besuch einer öffentlichen Schule, den Besuch einer Privatschule oder durch Privatunterricht erfüllt werden. In praktisch allen Kantonen regelt die Schulgesetzgebung den Besuch von Privatunterricht während der Dauer der obligatorischen Schulzeit.
Der Privatunterricht ist bewilligungspflichtig und untersteht der staatlichen Aufsicht. Um die Voraussetzungen für eine Bewilligung zu erfüllen, können in der kantonalen Schulgesetzgebung u.a. folgende Kriterien aufgeführt sein: die Bildungsziele stimmen mit jenen der öffentlichen Schule überein, der Lehrplan entspricht den kantonalen Vorschriften und die Lehrperson verfügt über eine pädagogische Ausbildung.
Entspricht der Privatunterricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, kann die Bewilligung entzogen und der Übertritt privat unterrichteter Schülerinnen und Schülern in die öffentliche Schule verfügt werden.
Je nach kantonaler Schulgesetzgebung können privat unterrichtete Schülerinnen und Schüler Leistungen der Schuldienste einschliesslich der dafür notwendigen Abklärungen beanspruchen (z.B. Schulgesundheitliche Dienste, Logopädie).
Im Schuljahr 2018/2019 wurden rund 2 100 Kinder und Jugendliche zu Hause unterrichtet. Generell ist Homeschooling auf der Primarstufe (inklusive Kindergarten) häufiger als auf der Sekundarstufe I. Mehr als drei Viertel der zu Hause unterrichteten Kinder und Jugendlichen leben in nur vier Kantonen. In 10 Kantonen werden gar keine Kinder zu Hause unterrichtet.