Lehrpläne, Fächer und Stundentafel
Bildungsziele
Die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS- Konkordat) harmonisiert die Bildungsziele (Bildungsstandards) der obligatorischen Schule: Sie legt die Bildungsbereiche fest, in denen alle Schülerinnen und Schüler während der obligatorischen Schule eine Grundbildung erhalten sollen. Diese sind: Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften, Musik, Kunst und Gestaltung sowie Bewegung und Gesundheit. Bei Bedarf können die Kantone und die Schulen weitere Bildungsbereiche hinzufügen. Um die Unterrichtsziele in der ganzen Schweiz zu harmonisieren, wurden 2011 für einige Bereiche nationale Bildungsziele in Form von Grundkompetenzen festgelegt. Es wird regelmässig überprüft, wie hoch der Anteil der Schülerinnen und Schüler ist, der diese Grundkompetenzen erreicht. Die ersten Erhebungen haben 2016 und 2017 stattgefunden. Getestet wurden die Schulsprache und die erste Fremdsprache am Ende der Primarstufe (2017) und Mathematik am Ende der obligatorischen Schule (2016). Die nächsten Überprüfungen der Grundkompetenzen werden 2023 (11. Schuljahr) und 2024 (4. Schuljahr) stattfinden.
Lehrpläne
Die Kantone sind für die Festlegung der Lehrpläne zuständig. Lehrpläne regulieren den Unterricht, indem sie Bildungsvorstellungen und Ziele des Unterrichts sowie Wochenstundenzahlen pro Fach und Klasse festlegen. Dabei gewähren sie den Schulen und den Lehrpersonen beim Unterricht Spielräume.
Die Lehrpläne werden von Fachgremien (u.a. Fachpersonen, Fachdidaktikern und - didaktikerinnen, Lehrpersonen) erarbeitet. Nach der Erarbeitung kommt der Lehrplan in ein Vernehmlassungsverfahren. Verschiedene Kreise (Lehrerinnen- und Lehrerverbände, Fachpersonen) können zum ausgearbeiteten Lehrplan Stellung beziehen. Nach der Überarbeitung wird der Lehrplan von der kantonalen Behörde in Kraft gesetzt. Bis anhin hatte jeder Kanton einen eigenen Lehrplan oder verschiedene Kantone haben bei der Entwicklung von regionalen Lehrplänen zusammengearbeitet.
Aktuell werden neu entwickelte sprachregionale Lehrpläne eingeführt oder sind bereits eingeführt worden.
- Die Westschweizer Kantone haben den Plan d’études romand (PER) eingeführt. Seit 2015 werden alle Schülerinnen und Schüler der obligatorischen Schule (inkl. Ecole enfantine) in der Westschweiz nach dem PER unterrichtet.
- Alle 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone haben Lehrpläne, die auf dem Lehrplan 21 basieren, beschlossen. Die Einführung läuft zurzeit.
- Im Kanton Tessin wurde die Einführung des neuen Piano di studio im Schuljahr 2018/19 abgeschlossen.
Diese sprachregionalen Lehrpläne orientieren sich an den Bildungsbereichen des HarmoS- Konkordats und den nationalen Bildungszielen (Bildungsstandards). Sie enthalten Beschreibungen zu Fachbereichen, zu überfachlichen Themen/formation générale sowie zu überfachlichen Kompetenzen/capacités transversales. Die sprachregionalen Lehrpläne geben auch Rahmenvorgaben vor, mit welchem Zeitbudget pro Fachbereich und Schuljahr in etwa zu rechnen ist. Die konkrete Ausgestaltung der Stundentafeln liegt weiterhin bei den Kantonen. Kantonale Entscheidungsfreiräume sowie die lokalen Spielräume der Schulen werden von den sprachregionalen Lehrplänen nicht beeinträchtigt.
Unterrichtsfächer
In der Primarschule werden in der Regel die folgenden Fachbereiche und Fächer unterrichtet:
- Sprachen: Unterrichtssprache, Fremdsprachen (eine zweite Landessprache und Englisch)
- Mathematik und Naturwissenschaften
- Sozial- und Geisteswissenschaften: u.a. Geografie, Geschichte
- Musik, Kunst und Gestaltung: Musik, bildnerisches Gestalten, textiles und handwerkliches Gestalten
- Bewegung, Körper und Gesundheit
Verschiedene Themen wie Gesundheitsförderung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, politische Bildung können als eigenes Fach oder integriert in anderen Fächern unterrichtet werden. Der Unterricht von Medien und Informatik erfolgt meist fächerübergreifend, findet aber teilweise auch in einem eigenen Modul statt.
Die Bundesverfassung gewährleistet Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die rechtliche Stellung und die inhaltliche Gestaltung des Religionsunterrichts variieren von Kanton zu Kanton. Wenige Kantone verfügen über eine rein säkulare Schulgesetzgebung, ohne religiöse Anteile in den Lehrplänen. Es gibt verschiedene Modelle von schulischem und/oder konfessionellem Religionsunterricht. Schulischer Religionsunterricht im Sinne eines überkonfessionellen Unterrichts, bei dem verschiedene Glaubensgemeinschaften behandelt und Grundbegriffe der Ethik vermittelt werden, ist in der Regel obligatorisch. Er kann als eigenes Fach oder integriert in einem Fachbereich unterrichtet werden. Die Teilnahme am religiösen konfessionellen Unterricht, der in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften liegt, ist nicht obligatorisch.
Sprachenunterricht
Die Koordination des Sprachenunterrichts ist in der mehrsprachigen Schweiz von besonderer Bedeutung. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat im März 2004 eine nationale Strategie zur Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts verabschiedet. Die Sprachenstrategie hat folgende Ziele:
- Das Sprachenlernen insgesamt verbessern (auch der Unterrichtssprache)
- besser vom Potenzial des früheren Sprachenlernens profitieren,
- die Mehrsprachigkeit des Landes respektieren,
- im europäischen Kontext konkurrenzfähig bleiben.
Die wichtigsten Inhalte der Strategie sind in das HarmoS-Konkordat aufgenommen worden:
- ab der Primarstufe werden zwei Fremdsprachen (eine zweite Landessprache und Englisch) unterrichtet,
- die erste Fremdsprache wird spätestens ab dem fünften Schuljahr, die zweite Fremdsprache ab dem siebten Schuljahr unterrichtet,
- während der obligatorischen Schule besteht ein bedarfsgerechtes Angebot an fakultativem Unterricht in einer dritten Landessprache,
- die Kantone bestimmen selber, welche Fremdsprache zuerst unterrichtet wird. Sie koordinieren dies regional,
- die nationalen Bildungsziele (Bildungsstandards) legen fest, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie Wissensinhalte, praktisch alle Schülerinnen und Schüler erwerben müssen. In beiden Fremdsprachen werden am Ende der obligatorischen Schule vergleichbare Kenntnisse verlangt.
2017 erliess die EDK Empfehlungen zum Unterricht der Landessprachen und des Englischen in der obligatorischen Schule. Diese betreffen die konkrete Umsetzung des Sprachenkonzepts in den Schulen. Sie sollen die Kantone und die Institutionen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung unterstützen, einen guten Fremdsprachenunterricht zu erreichen und diesen weiterzuentwickeln. Einen Schwerpunkt setzen die Empfehlungen bei der Förderung von Austausch und Mobilität: Schulen sowie Schülerinnen und Schüler der obligatorischen Schule sollen vermehrt an Klassen- oder individuellen Austauschen innerhalb der verschiedenen Sprachregionen der Schweiz teilnehmen.
Ergänzend zu den Empfehlungen sind im Auftrag der EDK Beispiele Guter Praxis im Sprachenunterricht publiziert worden. Sie richten sich an Lehrpersonen im Sprachenbereich sowie an die Ausbildnerinnen und Ausbilder von Lehrpersonen und sollen sie in ihrer Arbeit unterstützen.
Das Sprachenkonzept wird heute in 23 Kantonen umgesetzt. In 22 Kantonen lernen die Kinder die erste Fremdsprache spätestens ab dem fünften Schuljahr und die zweite Fremdsprache ab dem siebten Schuljahr. Der Kanton Tessin kennt mit drei obligatorisch zu lernenden Fremdsprachen sein eigenes Modell. In 14 Kantonen ist Englisch die erste Fremdsprache, in 12 Kantonen ist es eine zweite Landessprache (Deutsch, Französisch, Italienisch oder Romanisch).
Fremdsprachige Kinder erhalten Fördermassnahmen in der Unterrichtssprache. Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Erstsprache als der in der Schule gelehrten Unterrichtssprache können vielerorts auf freiwilliger Basis Unterricht in ihrer Herkunftssprache (HSK-Unterricht) besuchen. Der HSK-Unterricht wird durch staatliche oder nicht staatliche Trägerschaften der Migrationsgemeinschaften sowie vereinzelt durch Kantone/Schulgemeinden und Hilfswerke angeboten. Die Regulierung liegt bei den Kantonen.
Bei immersivem/bilingualem Unterricht wird ein Fach (z.B. Geografie, Geschichte, Sport) oder bestimmte Unterrichtsstunden in einer Fremdsprache unterrichtet. Der Schwerpunkt des Unterrichts liegt nicht auf der Fremdsprache, sondern auf den Themen des jeweiligen Faches. Projekte zu immersivem/bilingualem Unterricht in der obligatorischen Schule gibt es vor allem in mehrsprachigen Kantonen.
Schulen setzen Sprachportfolios zur individuellen Einschätzung und Dokumentation der Fremdsprachenkenntnisse der Schülerinnen und Schüler ein. Die Schweiz hat im Bereich der obligatorischen Schule das Portfolio (Europäisches Sprachportfolio [ESP] für 4- bis 7-jährige Kinder, das ESP I (7- bis 10-jährige Kinder), das ESP II (11- bis 15-jährige Kinder und Jugendliche) und das ESP III (für Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahren+) entwickelt.
Unterrichtsmethoden und Unterrichtsmittel
Unterrichtsmethoden
Die Lehrpersonen sind bei der Wahl der Unterrichtsmethoden frei. Sie wählen die Methode, welche für die jeweiligen Ziele, Inhalte und Themen am besten geeignet ist. Erweiterte Lern- und Lehrformen, differenzierender Unterricht oder das eigenständige Lernen der Schülerinnen und Schüler sind ein wichtiger Bestandteil des Unterrichtsalltags. Dadurch kann auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und die individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler eingegangen werden. Fremdsprachige Schülerinnen und Schüler, besonders Begabte und Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf erhalten entsprechende Förderangebote.
Die Regulierung von Hausaufgaben liegt bei den Kantonen. Diese können z.B. in den Lehrplänen Richtwerte vorgeben. Die konkrete Ausgestaltung liegt bei den Lehrpersonen.
Unterrichtsmittel
In der Regel bestimmen die kantonalen Erziehungs- oder Bildungsdepartemente die obligatorischen Lehrmittel oder geben Empfehlungen zur Wahl bzw. eine Liste der erlaubten Lehrmittel heraus. Lehrmittel werden von kantonalen und interkantonalen Lehrmittelverlagen oder von privaten Verlagen herausgegeben.
Das HarmoS-Konkordat sieht vor, dass die Sprachregionen die Entwicklung der Lehrmittel koordinieren. Die Lehrmittel richten sich an den neuen sprachregionalen Lehrplänen und den nationalen Bildungszielen (Bildungsstandards) aus.
Lehrmittel werden in der Regel unentgeltlich zur Verfügung gestellt. In bestimmten Fächern (z.B. textiles Gestalten) können gewisse Beiträge erhoben werden. Je nach Kanton wird das Schulmaterial (z.B. Hefte, Schreibutensilien) durch die öffentliche Hand zur Verfügung gestellt oder geht teilweise zulasten der Eltern.
ICT
Informations- und Kommunikationstechnologien sind ab der Primarstufe in den Unterricht integriert (siehe auch Kapitel Unterrichtsfächer). Der Zugang zu digitalen Lehrmitteln und Online-Diensten wird von Educa, eine Fachagentur des Bundes und der Kantone für ICT und Bildung, sichergestellt. Educa vertritt zudem die Interessen der Schulen gegenüber privaten Anbietern durch die Aushandlung von Rahmenverträgen.
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat 2018 eine nationale Digitalisierungsstrategie verabschiedet. Diese schliesst an eine frühere ICT-Strategie an, setzt aber etwa bei Datennutzung oder Datensicherheit auch neue Schwerpunkte. Im Rahmen der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie arbeitet die EDK zurzeit beispielsweise an einem Ordnungsrahmen für digital kompetente Schulen oder an nationalen Empfehlungen zur Ausstattung der Schulen mit ICT-Infrastruktur (bspw. 1:1-Computing, Bring Your Own Device, Clouddienste etc.)